Stolberg NSG Schlangenberg

Weich, sanft, einladend. So wirkt die Landschaft im Stolberger Naturschutzgebiet Schlangenberg auf jeden, der ankommt. Schmale Pfade führen um Hügel herum, einzelne Bäume und Strauchgruppen wirken wie von Hand in die offene Landschaft gesetzt, überraschend tauchen kleine Tümpel und Rinnsale auf. Diese Tundra-ähnlich anmutende Natur hütet jedoch ein Geheimnis. Welches das ist, offenbart eine weltweit einzigartige Galmeiflora. Sie signalisiert: Hier stehen Sie auf außergewöhnlichem Boden.

Der Naturschatz-Tipp „Schlangenberg“ führt Sie in den nördlichsten Zipfel des Naturparks Eifel – Hohes Venn, in die wald- und wiesenreiche Voreifellandschaft des Stolberger Ortsteils Breinig. Vom Parkplatz „Am Tomborn“ queren Sie nur die Landstraße (L 12) und befinden sich direkt am Ausgangspunkt einer kurzen Wanderung durch das Naturschutzgebiet „Schlangenberg“.

Den in Sichtweite liegenden 276 Meter hohen Namensgeber sollten Sie trotz des kurzen, etwas steileren Anstiegs keinesfalls auslassen. Von oben, wo eine Gedenkstätte an die Opfer der beiden Weltkriege erinnert, präsentiert sich der Charakter des 108 Hektar großen Naturschutzgebiets am allerbesten. Weite Offenlandflächen, sanft modelliert und strukturiert, sind durchzogen von kleinen Wegen, die aus Naturschutzgründen auf keinen Fall verlassen werden dürfen. Im Norden und Osten rahmen ausgiebige Rotbuchen- und Nadelwälder die fast parkähnliche Landschaft ein. Sichtbar wird aus dieser erhöhten Perspektive auch, dass die Natur am Schlangenberg keine unberührte ist. Vertiefungen, Mulden und tief eingegrabene Fahrzeugspuren lassen die industrielle Geschichte und die spätere militärische Nutzung des Schlangenbergs erahnen.

Vom Bodenschatz zum Biotop

Es ist der natürliche Bodencocktail am Schlangenberg, der bis heute Geschichte schreibt. Die Mischung aus Zinkerzen, Kalk, Cadmium und Blei weckte schon das Interesse der Kelten und Römer, die die trockenen Kalksteinzüge als willkommene Wege benutzten. Funde beweisen, dass bereits 100 n.Chr. die Erzvorkommen zur Messingherstellung genutzt wurden. Zunächst überirdisch, später unter Tage wurde das Zink-Erz Galmei abgebaut. Der Weg zu den berühmten Kupfermeistern, die in Stolberg ab Ende des 16. Jahrhunderts residierten, war kurz, die Region blühte wirtschaftlich. Heute nicht mehr für die Öffentlichkeit zugängliche Stollen und Schächte am Schlangenberg sind Zeugen dieses intensiven Bergbaukapitels. Richtig industriell „zur Sache“ ging es aber erst ab Ende des 18. Jahrhunderts. Mitte des 19. Jahrhunderts erschöpften sich die Vorkommen und zurück blieb eine Industriebrache, die nach dem Zweiten Weltkrieg als Truppenübungsplatz genutzt wurde. Heute ist es ein anderes Kapitel, das für Aufsehen sorgt. Es ist die Flora und Fauna, die auf den Schwermetallheiden und den Kalkmagerwiesen eine einzigartige ökologische Nische findet. Gönnen Sie sich auf Ihrer Runde die Muße, vorsichtig nach diesen Überlebenskünstlern Ausschau zu halten. Mehr als 300 Schmetterlingsarten, darunter der hübsche Grüne Zipfelfalter, seltene Bodenbrüter wie die Heidelerche und natürlich die außergewöhnliche Galmeiflora finden hier Heimat. Damit die Flächen offen bleiben, beweiden von Zeit zu Zeit Schafe und Ziegen den Schlangenberg. Apropos: Richtig zahlreich sind Schlangen am Schlangenberg nicht vertreten und es wäre schon ein besonderer Moment, wenn ihnen die seltene Schlingnatter über den Weg huschen würde.

Tour-Informationen

Start Parkplatz Am Tomborn
Aufstieg 28 m
Abstieg 28 m
Länge der Tour 1,6 km
Dauer 0:30 Stunden
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Mehr über dieses Naturidyll, erwachsen aus einer besonderen Geologie und menschlicher Nutzung, können Sie Sonntags in der Zeit von 14.00 bis 17.00 Uhr im Informationszentrum NSG Schlangenberg (ehemalige Hauptschule Breinigerberg) erfahren. Es wird liebevoll vom Eifel- und Heimatverein Breinig betreut. Viele Exponate und Bilder und auf Wunsch auch entsprechende Erklärungen ergänzen dort das Gesehene, machen den Wert dieser Natur aus „zweiter Hand“ bewusst.

Besonderheiten im Schlangenberg

Eine zarte Giftliebhaberin

Das Galmeiveilchen hat ein ungewöhnliches Überlebenskonzept: Es gedeiht dort, wo es giftige Rückstände im Boden gibt. Was andere Pflanzen vertreibt, toleriert die Viola calaminaria großzügig. So spezialisiert findet die zartgelbe Schönheit auf den mit Schwermetallen belasteten Flächen des NSG Schlangenbergs eine ökologische Nische. Ganz allein in der Schönheitskonkurrenz bleibt sie allerdings nicht. Mit ihr buhlen andere Zeigerpflanzen der Galmeiflora wie das Galmei-Täschelkraut, die Galmei-Frühlings-Miere oder die rosarote Galmei-Grasnelke um die Gunst aufmerksamer Beobachter. Diese kommen von weit her in die Aachener Grenzregion, denn weltweit ist das gelbe Galmeiveilchen nur hier im Aachen-Stolberger und dem benachbarten belgischen Raum bis nach Lüttich beheimatet. Endemisch nennt der Fachmann so ein begrenztes Vorkommen und adelt damit auch den Schlangenberg für Botaniker und Naturfreunde.

Das Zinkerz-Galmei

Gut Ding will Weile haben. Dieses Motto hat das Galmei nachweislich beherzigt. Vor rund 400 Millionen Jahren lagerte sich in flachen Meeren devonischer Kalk in der Voreifel ab. Verschiebungen und Faltungen legte ihn 200 Millionen Jahre später in mehreren parallel verlaufenden Kalksteinzügen an der Erdoberfläche frei, da Wind und Wetter die oberen Erdschichten abgetragen hatten. Der Kalkstein wurde porös und wässrige Erzlösungen drangen ein. Aus ihnen entstanden durch „Metasomatose“ – ein chemischer Veränderungsprozess – zunächst die Primärerze Zinkblende, Markasit und Bleiglanz, später dann oberflächennah durch Sauerstoffeinfluss in dicken Schichten das Sekundärerz Galmei. In der Hochzeit des Stolberger Erzabbaus um 1850/60 förderten rund 700 Mitarbeiter eine Jahresleistung von 6.600 Tonnen Galmeierz zutage. Die Steine wurden gemahlen, mit Holzkohle vermischt und mit Kupferstücken zusammen erhitzt. Welche glänzenden Messingwaren so hergestellt wurden, kann im Museum Zinkhütter Hof in Stolberg bewundert werden.

Die Gelbbauchunke schockt mit Farbe

Die Gelbbauchunke liebt es „militärisch“. Das zeigt ihr Vorkommen auf vielen Truppenübungsplätzen in Deutschland. Temporär entstehende Pfützen in Panzerspuren oder Vertiefungen sind für sie ideale Laichgewässer. Pflanzenarm und damit meist ohne Fressfeinde, ist sie dort Chefin im Tümpel und eröffnet ihre Kinderstube. Seit dem Wechsel in die zivile Nutzung ist der kleine Froschlurch auf dem Schlangenberg nicht mehr gesichtet worden. Mit der Anlage künstlicher Kleingewässer will die Biologische Station der StädteRegion Aachen dies ändern und die in NRW stark gefährdete Gelbbauchunke zur Wiederansiedlung bewegen. Wer sie dann im trüben Schlamm entdeckt, sollte vorsichtig einen zweiten Blick riskieren. Vergleichbar dem Fingerabdruck eines Menschen trägt jede Unke auf dem Bauch ein leuchtend gelbes, individuell gezeichnetes Muster. Die grelle Schockfarbe zeigt bei ihren Feinden deutlich mehr Wirkung als die herzförmigen Pupillen.