Die Linde in Simmerath-Einruhr

Die Linde am Ortseingang in Einruhr straft das bekannte Sprichwort Lügen: „Einen alten Baum verpflanzt man nicht.“ Sie wurde in den 1950er Jahren ausgegraben, als hier die Rur zum Obersee aufgestaut werden sollte. Nach der Aufstockung pflanzte man sie an ähnlicher Stelle wieder ein. Geschadet hat es ihr nicht, sie präsentiert sich heute mit bildschönem Wuchs.

Eine Linde zieht um

Bis etwa 1958 spendete die alte Linde auf dem Schulhof von Einruhr Schatten. Siegbert Heup vom Eifelverein Einruhr-Erkensruhr erinnert sich: „In meiner Schulzeit sind wir Kinder in den Pausen immer in dem Baum herumgeklettert. Damals stand die Linde etwa vier Meter tiefer als heute.“

Zur Erklärung muss man einen längeren Blick zurück in die Geschichte werfen. Die Rurtalsperre Schwammenauel war zwischen 1934 bis 1938 gebaut und ein Jahr später in Betrieb genommen worden. Sie diente dazu, das Dürener und Jülicher Umland vor Überschwemmungen zu schützen, die dortige Industrie mit Wasser zu versorgen und Strom zu erzeugen. 1952 sollte der Obersee von 100 Millionen Kubikmeter auf das Doppelte aufgestockt werden. Diesem Vorhaben mussten über 30 Häuser und viele Ländereien weichen. Für die Bewohner war das damals keine leichte Zeit. Einige Landwirte haben das Rurtal verlassen und im Aachener Umland sowie im Bergischen Land eine neue Heimat gefunden. Trotz des Widerstandes aus der Bevölkerung begann man 1955 mit der Aufstockung. Häuser wurden abgerissen, drei von ihnen wurden an anderer Stelle wieder aufgebaut.

Auch die Linde vom Schulhof wollte Altbürgermeister Franz Becker retten. Ob Botaniker und Baumpfleger sein Vorgehen als fachgerecht bestätigen würden, ist fraglich. Becker entfernte der Linde nämlich alle Äste und grub sie dann mit Hilfe eines Baggers aus. Nach der Aufschüttung des Geländes wurde sie in der Nähe ihres ursprünglichen Standortes wieder eingepflanzt. Und zur Freude alle Beteiligten sprossen am neuen Standort nach kurzer Zeit wieder Äste – die Linde hatte den Umzug überstanden! Und vielleicht gerade dadurch ihren besonderen Charakter entwickelt. Denn wenn man sie genau betrachtet, sieht man, dass ihr der durchgehende Stamm fehlt. Ihre umfangreiche und bildschön geformte Krone besteht nur aus Astwerk, eine Folge der Radikalkur vor dem Umpflanzen. Es hat ihrer Schönheit aber nicht im Mindesten geschadet. Und sie beweist in ihrer Pracht, dass man einen alten Baum anscheinend doch verpflanzen kann. Jedenfalls in Einruhr!